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Anja Salmassi wird Kolumnistin der Rubrik „Familienbande“ in der Aachener Zeitung

Lesen Sie die erste Kolumne unserer Leitenden Hebamme in der AZ-Serie hier

Anja Salmassi

Leitende Hebamme
Anja Salmassi

  • Bereichsleiterin Pflege

Am 28. Februar 2025 hat die Aachener Zeitung auf der überregionalen Seite „Region und NRW“ die ganzseitige Serie „Familienbande“ gestartet. In der ersten Folge gab Priv.-Doz. Dr. med. Heiner Kentrup (Chefarzt der Kinderklinik im Bethlehem Gesundheitszentrum Stolberg) Tipps zu Kinderkrankheiten wie Schnupfen, Fieber und Husten. Die Kolumne dreht sich um Fragen rund um Schwangerschaft, Kindergesundheit und Pubertät. Unsere Leitende Hebamme Anja Salmassi ist die Kolumnistin für das Thema Geburtshilfe und gibt ihr Debut in der Aachener Zeitung in diesem Monat.

Geburt ist kein Moment, den man „hinter sich bringt“.

In der „Familienbande“ sind alle, die ein Kind erwarten oder gerade Eltern geworden sind sowie alle am Thema interessierten Leserinnen und Leser genau richtig.
Diese Lebensphase bringt viele Emotionen, Herausforderungen und Entscheidungen mit sich. Sie finden fundierte Informationen, praktische Tipps und einfühlsame Beiträge rund um die Geburt und darüber hinaus. Ich möchte Ihre Erfahrungen, Gedan-ken und Fragen einbeziehen, die Ihnen auf dem Herzen liegen. Denn jede Schwangerschaft, jede Geburt ist einzigartig, jedes Elternwerden indivi-duell.
Ich freue mich mit den Leserinnen und Lesern hier auf einen Ort des Austauschs, auf ehrliche Einblicke, nützliche Ratschläge – ganz im Zei-chen des neuen Lebens, das alles verändert.

Eine Geburt ist ein wundervolles, intensives Erlebnis, das von tiefster Liebe, Staunen und Ehrfurcht erfüllt ist.
Sie ist wie Ebbe und Flut, geprägt von körperlicher Anstrengung, innerer Stärke und einer Magie, die sich kaum in Worte fassen lässt. Geburt ist roh, echt, überwältigend. Sie ist Schöpfungskraft, kann als ein Übergang zwischen den Welten, in dem neues Leben voller Hoffnung und Möglich-keiten beginnt, beschrieben werden. Manche empfinden sie als ein Wun-der, das Herz und Seele tief berührt – ein Augenblick, in dem Zeit und Raum zu verschwimmen scheinen, weil etwas so Ursprüngliches und Großartiges geschieht.

Und ich bin Hebamme! Und ich erinnere: Geburt ist heilig!
Als Hebamme habe ich unterschiedliche Rollen, in denen ich dem Leben diene. Ich bin Begleiterin, gehe ein Stück des Weges mit, Schritt für Schritt, habe unendlich Geduld, gebe Halt und Wissen, ohne mich in den Mittelpunkt stellen zu wollen. Ich bin Mentorin, stärke die Frau darin, sich selbst körperlich und seelisch zu vertrauen, durch Schwangerschaft und Geburt Mutter zu werden. Ich bin Anwältin, die für die Frau spricht, wenn sie es selbst nicht kann und damit ihre Interessen gehört werden. Ich bin nicht nur Beschützerin der Gebärenden, sondern auch des Geburtsraums, grenze ab, wo andere übertreten und muss über Würde, Intimität und Einhaltung der Grenzen und der notwendigen Ruhe wachen. Wenn Geburt in stürmischen Momenten durch Angst und Schmerz den Mut schwinden lassen, sage ich: „Du kannst das. Du hast die Kraft!“. Und als Hebamme bin ich vor allem Wächterin der Physiologie, d.h. ich begleite den natürlichen Prozess von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Ich bringe dem Gebären im eigenem Rhythmus den notwendigen Respekt entgegen, damit nicht nur ein Kind, sondern auch Stärke, Identität und Liebe geboren werden.

Bei wöchentlichen Geburtshilfe-Infoabenden ist es eine hervorragende Gelegenheit, mit werdenden Eltern ins Gespräch zu kommen. Das ist wichtig für unsere Arbeit in der Geburtshilfe. Die Fragen und Sorgen, aber auch die Erwartungen vor der Geburt sind oft sehr individuell. Aller-dings gibt es Themen, die besonders häufig eine Rolle spielen. Diese hängen oft mit der persönlichen Einstellung zur Geburt, früheren Erfahrungen und auch gesellschaftlichen Einflüssen zusammen. Themen, die werdende Eltern besonders beschäftigen, sind zum Beispiel Geburtsort und Atmosphäre. Viele fragen sich, wo sie sich am sichersten fühlen. Sie wägen ab, ob sie eine Klinikgeburt bevorzugen, in der Regel mit einer guten Balance zwischen Natürlichkeit und medizinischer Rundumversorgung, zwischen Hebammenbetreuung und fachärztlicher Begleitung oder ob sie eine ganz intime und vertraute Umgebung wie bei einer Hausgeburt oder in einem Geburtshaus zur Priorität machen.

Hier spielen Faktoren wie Angst vor Interventionen, Vertrauen ins eigene Gebärvermögen und frühere Geburtserfahrungen hinein. Entscheidend ist auch die jetzige Schwangerschaft, ob sie völlig unauffällig verläuft oder ob konkrete Risikofaktoren vorliegen, für die eventuell eine speziali-sierte Einrichtung (Perinatalzentrum) vorgesehen ist.

Wie sicher sind Mutter und Kind bei der Geburt? Welche Eingriffe könnten notwendig sein, und wie kann ich selbstbestimmt entscheiden?
Bekommen wir eine 1:1-Betreuung, und werden wir die Hebamme bereits kennen? Wie häufig sind Kaiserschnitte, Dammschnitte oder Wehenmittel, und wie wird in einem Notfall gehandelt?

Besonders Erstgebärende oder Eltern mit schwieriger Vorgeschichte stellen diese Fragen oft. Trotzdem wünschen sich viele eine möglichst natürliche Geburt, aber mit der Option, Hilfe zu bekommen. Für Paare, die ein Schmerzmanagement ohne Medikamente, Vermeidung unnötiger Eingriffe, körperliche und emotionale Unterstützung nur durch Hebamme(n) und die vertraute Begleitperson wünschen, ist das Zusatzangebot des sogenannten Hebammenkreißsaals eine echte Alternative. Mit diesem Konzept machen wir bei uns am Marienhospital Aachen sehr gute Erfahrungen.

Selbst, wenn eine natürliche Geburt gewünscht ist, beschäftigen sich viele trotzdem mit Kaiserschnitt und ob sie das sogenannte Bonding, den sofortigen Haut-zu Haut-Kontakt mit dem Neugeborenen dann trotzdem haben werden. Kommt das Neugeborenen direkt auf die Haut, und was passiert medizinisch nach der Geburt zum Beispiel bei Geburtsverletzungen, und wann kann ich mein Baby das erste Mal stillen?

Im Gespräch merke ich häufig, dass werdende Eltern eine Mischung aus Vorfreude und Unsicherheit mitbringen. Manche möchten detaillierte In-formationen, andere brauchen vor allem Bestärkung. Der allergrößte Wunsch ist jedoch meist, eine Geburt medizinisch und emotional sicher, selbstbestimmt und würdevoll zu erleben. Wir wissen, Geburt prägt uns fürs Leben. Deshalb betonte bereits Michel Odent, ein berühmter französischer Geburtshelfer und Verfechter der natürlichen Geburt, die tiefgreifende Bedeutung des Geburtsprozesses – so-wohl für das Kind als auch für die Mutter, in folgendem Zitat: „Es nicht egal, wie wir geboren werden!“ Ich würde ergänzen wollen, auch nicht, wie wir gebären!