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„Jetzt traue ich mich wieder raus“

Susanne Hentschel litt an einer Senkung von Blase und Gebärmutter - OP machte sie wieder mobil

Text: Sabine Hoffmann (BILD DER FRAU)

Wie früher lange Fahrradtouren oder mit ihrem Mann Hartmut und den Enkelkindern ausgedehnte Spaziergänge entlang der Rur machen: Noch vor ein paar Monaten konnte Susanne Hentschel
davon nur träumen. „Es war schrecklich, ständig drückte meine Blase, und ich musste zur Toilette rennen“, erinnert sich die 61-Jährige aus Kreuzau. „An Spazierengehen war natürlich nicht zu denken.“
Schon seit ihren beiden Schwangerschaften leidet die Erzieherin an einer Senkung der Gebärmutter. Viele Jahre bereitet ihr diese aber keine Probleme, selbst als die Gebärmutter so stark auf die Blase
drückt, dass diese sich ebenfalls senkt. Ende 2021 ändert sich das. Plötzlich muss sie ständig auf die
Toilette, erleidet mehrmals hintereinander eine Blasenentzündung. Trotz Antibiotika wird es nicht
besser, sondern mit der Zeit immer schlimmer. Angst, dass die nächste Toilette zu weit weg ist. Zu allem Überfluss plagt sie nun auch noch das Gefühl, einen Fremdkörper in der Scheide zu haben. „Ausgesprochen unangenehm“, erzählt die zweifache Mutter. „Ich war verzweifelt, denn der ständige
Harndrang bestimmte mein Leben.“ Bevor sie das Haus verlässt, überlegt sie jedes Mal, ob und wo sich eine Toilette in der Nähe befindet. Meist ist der Weg zu weit, und so verkriecht sie sich lieber zu Hause. So kann es nicht weitergehen.

Susanne Hentschel wendet sich wieder an ihren Frauenarzt, konsultiert anschließend einen Urologen und eine weitere Gynäkologin und erfährt, dass die Senkung von vorderer Scheidewand und Blase sowie Gebärmutter so ausgeprägt ist, dass nur eine Operation hilft. Je nach Schweregrad der Senkung gibt es verschiedene Verfahren. Bei Susanne Hentschel kommt im Marienhospital Aachen die sogenannte laparoskopische laterale Suspension zum Einsatz: Per Bauchspiegelung werden Blase und Gebärmutter angehoben und mit einem Kunststoffnetz an der Bauchdecke verankert. Dazu werden zwei winzige Schnitte rechts und links unterhalb des Bauchnabels gemacht. Etwa 90 Minuten dauert der Eingriff. Als Susanne Hentschel aus der Narkose erwacht, ist das Fremdkörpergefühl in ihrer Scheide verschwunden. Auch der ständige Harndrang ist weg. Drei Tage später darf sie wieder nach Hause. Mittlerweile kann sie sogar wieder ihre geliebten Spaziergänge machen.

Unser Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe erläutert die Hintergründe:

Dr. med. Clemens Stock

Chefarzt der Frauenklinik
Dr. med. Clemens Stock

  • Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
  • AGUB II-Experte, MIC II-Experte
  • Palliativmedizin, Ärztliches QM

Was ist eine Blasensenkung?
Hier wölbt sich die vordere Scheidenwand über das anatomisch normale Maß nach außen vor. Fast immer sind Frauen betroffen, die ein Kind auf normalem Wege geboren haben, insbesondere wenn mithilfe einer Zange oder Saugglocke entbunden wurde. Hinzukommen ergänzende Risikofaktoren wie eine Bindegewebsschwäche, eine stehende Tätigkeit, Übergewicht sowie der Hormonmangel
mit zunehmendem Alter. Hier hatte sich die vordere Scheidenwand mit Blase sowie die Gebärmutter gesenkt. Das ist ein häufig auftretender Kombinationsdefekt am Beckenboden.
Per Bauchspiegelung wird ein T-förmiges Kunststoffnetz zwischen Blase, Scheide und Gebärmutterhals eingebracht, mit Nähten befestigt und mittels der langen Arme des
„T“ an der Bauchdecke verankert. Es ist ein sehr modernes Verfahren. Die Chance, dass die
Senkung nicht wiederkommt, beträgt über 90 Prozent.

Wie kann man generell einer Senkung vorbeugen?
In erster Linie durch eine gesunde Lebensweise, frühe Intervention nach Geburten
(z. B. Pessar) und lokale Östrogentherapie der Scheide nach den Wechseljahren.